BVerfG: Kein Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Mutter

Die gerichtliche Verpflichtung einer Mutter, zur Durchsetzung eines Unterhaltsregressanspruchs des sogenannten Scheinvaters geschlechtliche Beziehungen zu bestimmten Personen preiszugeben, stellt eine schwerwiegende Beeinträchtigung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar.  Dafür bedarf es einer hinreichend deutlichen Grundlage im geschriebenen Recht, an der es fehlt. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden. Einen Beschluss des schleswig-holsteinischen Oberlandesgerichts, durch den die Beschwerdeführerin im Ausgangsverfahren zur Auskunftserteilung verpflichtet worden war, hat der Senat aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Sachverhalt und Verfahrensgang:

1. Im Falle einer erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung entfallen die Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den ehemals rechtlichen Vater (sogenannter Scheinvater) rückwirkend. In dem Umfang, in dem dieser bis dahin tatsächlich Unterhalt geleistet hat, gehen die Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den leiblichen Vater auf den Scheinvater über. Ein Auskunftsanspruch des Scheinvaters  gegen die Mutter, wer als mutmaßlich leiblicher Vater in Betracht kommt, ist gesetzlich nicht geregelt. Der Bundesgerichtshof hat in einer Reihe von neueren Entscheidungen einen gemäß § 242 BGB auf Treu und Glauben gestützten Auskunftsanspruch zuerkannt und diesen näher konturiert.

2. Die damals zwanzigjährige Beschwerdeführerin führte mit dem Antragsteller des Ausgangsverfahrens eine Beziehung, während der sie schwanger wurde. Nachdem die Beschwerdeführerin und der Antragsteller geheiratet hatten, wurde die Tochter der Beschwerdeführerin Anfang Oktober 1991 ehelich geboren, so dass der Antragsteller rechtlicher Vater dieses Kindes wurde. Im Jahr 1994 eröffnete die Beschwerdeführerin dem Antragsteller die Möglichkeit, dass er nicht der leibliche Vater sein könnte. Im Jahr 1995 wurde die Ehe geschieden. Der Antragsteller beantragte das alleinige Sorgerecht für die Tochter. Im Jahr 2010 focht der Antragsteller erfolgreich die Vaterschaft an. Im Oktober 2012 forderte er die Beschwerdeführerin auf mitzuteilen, wer der mutmaßlich leibliche Vater ihrer Tochter ist, was die Beschwerdeführerin verweigerte. Das Amtsgericht und das Oberlandesgericht verpflichteten sie zur Auskunftserteilung; hiergegen richtet sich die Verfassungsbeschwerde.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, weil sie die Tragweite dieses Grundrechts verkennen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt mit der Privat- und Intimsphäre auch das Recht, selbst darüber zu befinden, ob, in welcher Form und wem Einblick in die Intimsphäre und das eigene Geschlechtsleben gewährt wird. Dies umschließt das Recht, geschlechtliche Beziehungen zu einem bestimmten Partner nicht offenbaren zu müssen.

Dem haben die Gerichte hier im Ansatz zutreffend das Interesse des Scheinvaters an der Durchsetzung seines einfachrechtlichen Regressanspruchs gegenübergestellt. Obwohl das Interesse, selbst darüber zu befinden, ob und wem Einblick in das Geschlechtsleben gewährt wird, verfassungsrechtlich schwer wiegt, mag das Geheimhaltungsinteresse einer Mutter gegenüber dem finanziellen Regressinteresse eines Scheinvaters in bestimmten Konstellationen etwa wegen ihres früheren Verhaltens weniger schutzwürdig sein. Eine Verpflichtung der Mutter, dem Scheinvater zur Durchsetzung seines Regressanspruchs auch gegen ihren Willen Auskunft über die Person des Vaters zu erteilen, ist darum verfassungsrechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen.

Im vorliegenden Fall haben die Gerichte jedoch die Bedeutung des Rechts der Beschwerdeführerin, selbst darüber zu befinden, ob, in welcher Form und wem sie Einblick in ihre Intimsphäre und ihr Geschlechtsleben gibt, unzutreffend eingeschätzt. Das Amtsgericht hat dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin allein deshalb keine Bedeutung beigemessen, weil sie den Antragsteller nicht darüber aufgeklärt habe, dass nicht er allein als biologischer Vater in Betracht komme. Demgegenüber hat das Oberlandesgericht zwar festgestellt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin berührt ist, es aber nicht weiter mit den finanziellen Interessen des Antragstellers abgewogen. Aufgrund der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung stehe fest, dass die Beschwerdeführerin in der Empfängniszeit mit einem anderen Mann geschlechtlich verkehrt habe; es gehe also „nur“ noch um die Frage, wer als Vater in Betracht komme. Damit verkennt das Gericht, dass zur verfassungsrechtlich geschützten Intimsphäre der Mutter gerade auch die Frage gehört, mit welchem Partner oder welchen Partnern sie eine geschlechtliche Beziehung eingegangen ist. Dieses Recht war mit der Offenlegung des Mehrverkehrs nicht verbraucht.

2. Die gerichtliche Verpflichtung der Mutter, zur Durchsetzung eines Regressanspruchs des Scheinvaters Auskunft über die Person des mutmaßlichen Vaters des Kindes zu erteilen, überschreitet unabhängig von den konkreten Umständen des vorliegenden Falls die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, weil es hierfür an einer hinreichend deutlichen Grundlage im geschriebenen Recht fehlt. Die Beschwerdeführerin ist dadurch in ihren Grundrechten verletzt (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG).

a) Gegen die gerichtliche Begründung von Auskunftsansprüchen in Sonderverbindungen aufgrund der Generalklausel des § 242 BGB ist verfassungsrechtlich im Grundsatz nichts einzuwenden. Aus verfassungsrechtlicher Sicht bieten die privatrechtlichen Generalklauseln den Zivilgerichten nicht zuletzt die Möglichkeit, die Schutzgebote der Grundrechte zur Geltung zu bringen und so die gesetzgeberische Erfüllung grundrechtlicher Schutzaufträge zu ergänzen; die Zivilgerichte verhelfen den Grundrechten so in einem Maße zur praktischen Wirkung, das zu leisten der Gesetzgeber im Hinblick auf die unübersehbare Vielfalt möglicher Fallgestaltungen allein kaum in der Lage wäre.

Die gerichtliche Rechtsfortbildung stößt jedoch an verfassungsrechtliche Grenzen; solche ergeben sich auch aus den Grundrechten. Soweit die vom Gericht im Wege der Rechtsfortbildung gewählte Lösung dazu dient, der Verfassung, insbesondere verfassungsmäßigen Rechten des Einzelnen, zum Durchbruch zu verhelfen, sind die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung weiter, da insoweit eine auch den Gesetzgeber treffende Vorgabe der höherrangigen Verfassung konkretisiert wird. Umgekehrt sind die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung demgemäß bei einer Verschlechterung der rechtlichen Situation des Einzelnen enger gesteckt; die Rechtsfindung muss sich umso stärker auf die Umsetzung bereits bestehender Vorgaben des einfachen Gesetzesrechts beschränken, je schwerer die beeinträchtigte Rechtsposition auch verfassungsrechtlich wiegt.

b) Die grundrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung sind hier enger gesteckt. Die mit der Auskunftsverpflichtung einhergehende Grundrechtsbeeinträchtigung der Beschwerdeführerin wiegt schwer. Dem steht hier allein das Interesse des Scheinvaters an einer Stärkung der Durchsetzungsfähigkeit seines einfachgesetzlichen Regressanspruchs gegenüber. Dass der Gesetzgeber den Regressanspruch durchsetzungsschwach ausgestaltet hat, indem er es unterlassen hat, diesen durch einen entsprechenden Auskunftsanspruch zu flankieren, bedarf von Verfassungs wegen nicht der Korrektur. Wie das Interesse der Mutter an der Geheimhaltung intimer Daten ihres Geschlechtslebens einerseits und das finanzielle Regressinteresse des Scheinvaters andererseits zum Ausgleich gebracht werden, liegt im Ausgestaltungsspielraum des Gesetzgebers.

c) Danach können die Gerichte einen Auskunftsanspruch in der vorliegenden Konstellation nicht allein auf die Generalklausel des § 242 BGB stützen. Vielmehr setzt die gerichtliche Verpflichtung einer Mutter zur Preisgabe des Partners oder der Partner geschlechtlicher Beziehungen konkretere gesetzliche Anknüpfungspunkte voraus, aus denen sich ablesen lässt, dass eine Mutter zur Auskunftserteilung der fraglichen Art verpflichtet ist. Solche Anknüpfungspunkte fehlen hier. In § 1605 BGB ist die Verpflichtung Verwandter geregelt, einander erforderlichenfalls über ihre Einkünfte und ihr Vermögen Auskunft zu erteilen. Eine Verpflichtung der Mutter, Auskunft über geschlechtliche Beziehungen zu einem Partner zu erteilen, findet sich hingegen nicht, obwohl es auf der Hand liegt, dass zur Durchsetzung eines Regressanspruchs die Kenntnis des Erzeugers erforderlich ist und dass in vielen Fällen allein die Mutter Hinweise auf die Person des Erzeugers geben könnte. Auch der Anspruchsregelung in § 1607 Abs. 3 BGB selbst kann der erforderliche Anknüpfungspunkt nicht entnommen werden. Die Norm begründet lediglich die materielle Rechtsposition, ohne deren Durchsetzbarkeit zu regeln.

Soll der Regressanspruch des Scheinvaters gestärkt werden, müsste der Gesetzgeber tätig werden. Er müsste dabei allerdings dem entgegenstehenden Persönlichkeitsrecht der Mutter Rechnung tragen, das in dieser Konstellation schwer wiegt.

BAG: Observation durch Detektiv nur bei konkretem Verdacht zulässig 

Ein Arbeitgeber, der wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit einem Detektiv die Überwachung eines Arbeitnehmers überträgt, handelt rechtswidrig, wenn sein Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht. Für dabei heimlich hergestellte Abbildungen gilt dasselbe. Eine solche rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann einen Geldentschädigungsanspruch („Schmerzensgeld“) begründen.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit Mai 2011 als Sekretärin der Geschäftsleitung tätig. Ab dem 27. Dezember 2011 war sie arbeitsunfähig erkrankt, zunächst mit Bronchialerkrankungen. Für die Zeit bis 28. Februar 2012 legte sie nacheinander sechs Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, zuerst vier eines Facharztes für Allgemeinmedizin, dann ab 31. Januar 2012 zwei einer Fachärztin für Orthopädie. Der Geschäftsführer der Beklagten bezweifelte den zuletzt telefonisch mitgeteilten Bandscheibenvorfall und beauftragte einen Detektiv mit der Observation der Klägerin. Diese erfolgte von Mitte bis Ende Februar 2012 an vier Tagen. Beobachtet wurden ua. das Haus der Klägerin, sie und ihr Mann mit Hund vor dem Haus und der Besuch der Klägerin in einem Waschsalon. Dabei wurden auch Videoaufnahmen erstellt. Der dem Arbeitgeber übergebene Observationsbericht enthält elf Bilder, neun davon aus Videosequenzen. Die Klägerin hält die Beauftragung der Observation einschließlich der Videoaufnahmen für rechtswidrig und fordert ein Schmerzensgeld, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Sie hält 10.500 Euro für angemessen. Die Klägerin habe erhebliche psychische Beeinträchtigungen erlitten, die ärztlicher Behandlung bedürften.

Das Landesarbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 1.000,00 Euro stattgegeben. Die Revisionen beider Parteien blieben vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Die Observation einschließlich der heimlichen Aufnahmen war rechtswidrig. Der Arbeitgeber hatte keinen berechtigten Anlass zur Überwachung. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen war weder dadurch erschüttert, dass sie von unterschiedlichen Ärzten stammten, noch durch eine Änderung im Krankheitsbild oder weil ein Bandscheibenvorfall zunächst hausärztlich behandelt worden war. Die vom Landesarbeitsgericht angenommene Höhe des Schmerzensgeldes war revisionsrechtlich nicht zu korrigieren. Es war nicht zu entscheiden, wie Videoaufnahmen zu beurteilen sind, wenn ein berechtigter Anlass zur Überwachung gegeben ist.

BAG: Keine Kündigung nach In-vitro-Fertilisation  

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG ist eine ohne behördliche Zustimmung ausgesprochene Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft bekannt war oder sie ihm innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Im Fall einer Schwangerschaft nach einer Befruchtung außerhalb des Körpers (In-vitro-Fertilisation) greift das mutterschutzrechtliche Kündigungsverbot bereits ab dem Zeitpunkt der Einsetzung der befruchteten Eizelle (sog. Embryonentransfer) und nicht erst mit ihrer erfolgreichen Einnistung (Nidation). Dies hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden und – wie schon die Vorinstanzen – der Kündigungsschutzklage einer Arbeitnehmerin stattgegeben.

Die Klägerin war als eine von zwei Angestellten seit Februar 2012 in der Versicherungsvertretung des Beklagten beschäftigt. Ermahnungen oder Abmahnungen etwa wegen schlechter Leistungen erhielt sie nicht. Am 14. oder 15. Januar 2013 teilte sie dem Beklagten mit, dass sie seit mehreren Jahren einen bisher unerfüllten Kinderwunsch hege und ein erneuter Versuch einer künstlichen Befruchtung anstehe. Der Embryonentransfer erfolgte am 24. Januar 2013. Am 31. Januar 2013 sprach der Beklagte – ohne behördliche Zustimmung – eine ordentliche Kündigung aus. In der Folge besetzte er die Stelle mit einer älteren Arbeitnehmerin. Am 7. Februar 2013 wurde bei der Klägerin eine Schwangerschaft festgestellt. Hierüber informierte sie den Beklagten am 13. Februar 2013.

Die Kündigung ist unwirksam. Die Klägerin genoss bei ihrem Zugang wegen des zuvor erfolgten Embryonentransfers den besonderen Kündigungsschutz des § 9 Abs. . 1 Satz 1 MuSchG. Die Kündigung verstößt zudem gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG iVm. §§ 1, 3 AGG. Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 26. Februar 2008 (C-506/06) entschieden, es könne eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts vorliegen, wenn eine Kündigung hauptsächlich aus dem Grund ausgesprochen werde, dass die Arbeitnehmerin sich einer Behandlung zur In-vitro-Fertilisation unterzogen habe. Im Streitfall durfte das Landesarbeitsgericht nach den gesamten Umständen davon ausgehen, dass die Kündigung wegen der (beabsichtigten) Durchführung einer solchen Behandlung und der damit einhergehenden Möglichkeit einer Schwangerschaft erklärt wurde.